michael
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Ich will nicht pauschalieren. Es gibt solche und solche. Die einen gehen verantwortungsvoll um mit ihrer Macht. Und andere nutzen sie aus. Spielen sie aus gegenüber den Schwächeren.
Die Macht des Amtes.
Ich will nicht pauschalieren. Es gibt solche und solche. Die einen gehen verantwortungsvoll um mit ihrer Macht. Und andere nutzen sie aus. Spielen sie aus gegenüber den Schwächeren. Die Macht des Amtes.
Ich habe ja selber lange in einer Behörde gearbeitet, auf einem Magistrat, als Assistent des Baudirektors. Wobei ich da persönlich keinen Kundenkontakt gehabt habe. Aber natürlich habe ich mitbekommen, dass es da Konfliktpotential zur Genüge gibt. Die einen sind zuvorkommend und geben dem Kunden eine Möglichkeit, andere wieder sind gleich blockierend. Es gibt zum Beispiel Magistratsstellen, wo du das Gefühl vermittelt bekommst, du solltest schon auf den Knien rutschend hineingehen.
Wie zwiespältig Behörden sein können, habe ich vor allem mitbekommen, als ich auf der anderen Seite gestanden bin. Weil bevor ich beim Magistrat war, habe ich ja in der Privatwirtschaft gearbeitet, in der Baubranche, bis zum Projektleiter.
Die Baubranche ist an sich schon kein freundliches Umfeld. Es ist ein Haifischbecken. Da arbeitet jeder gegen jeden, Mann gegen Mann, Frau ist dort noch nicht recht etabliert. Und vielleicht färbt das auf die Behörden ab, die mit dieser Branche zu tun haben, weil das war dann manchmal mehr eine Machtdemonstration als eine Dienstleistung.
Als Projektleiter war ich in ganz Österreich im Einsatz, und da muss man diverse Einreichnungen machen, braucht Bestätigungen von der Baupolizei, und da hab ich speziell bei den Beamten in Wien diese präpotente Lässigkeit erlebt, so nach dem Motto: Des is mir wurscht, der kommt schon wieder. Quasi Gummiwand. Diese Hilflosigkeit den Behörden gegenüber war ein echtes Problem, weil so eine Baustelle hat meistens einen enormen Druck, Zeitdruck, und wenn da jetzt ein Glied ausfällt, also die Behörde, dann bist du als Projektleiter der Depperte, ganz simpel. Ein anderes Machtspiel von einer Behörde erlebe ich gerade mit dem jungen Mann aus Afghanistan, um den ich mich kümmere.
Wie ich vor acht Jahren in Pension gegangen bin, wollte ich jetzt nicht den ganzen Tag zu Hause sitzen und mich übers Wetter ärgern. Ich wollte etwas Sinnvolles tun, etwas Soziales.
Wie ich vor acht Jahren in Pension gegangen bin, wollte ich jetzt nicht den ganzen Tag zu Hause sitzen und mich übers Wetter ärgern. Ich wollte etwas Sinnvolles tun, etwas Soziales. Dass ich in der Pension lieber Leuten helfe als jetzt zum Beispiel auf einem Golfplatz Löchern nachzujagen, hat wahrscheinlich mit meinem Vater zu tun. Mein Vater hat hier in Linz am Jugendamt gearbeitet und sich dann in seiner Pension rund 30 Jahre lang für Wohnungslose engagiert. Er war Mitbegründer vom Verein ARGE für Obdachlose. Das hat mich sicher beeinflusst.
Zuerst war ich bei den Samaritern, aber da hab ich bemerkt, dass mir das körperlich zu anstrengend wird. Also hab ich mich umgeschaut, was ich sonst tun kann. Es war gerade das 2015er Jahr vorbei, wo sehr viele zu uns gekommen sind, und da war es naheliegend, mich um einen Asylwerber zu kümmern. Was ich dann auch tat.
Dieser junge Mann aus Afghanistan hat dann eine Kochlehre gemacht und arbeitet heute als Koch, er spricht gut Deutsch, er hat seinen Weg gemacht. Aber behördenmäßig haben wir gerade das Spiel, dass er sich für eine Staatsbürgerschaft bewerben will, was theoretisch möglich ist, aber seltsamerweise praktisch nicht. Weil es geht technisch nicht.
Die Sache läuft so.
Also theoretisch sollte sie so laufen: Um einen Termin zu bekommen, musst du dich bei der Landesregierung digital anmelden. Das kannst du für den jeweiligen Tag ab Null Uhr. Aber auch wenn du dich um Null Uhr oder kurz darauf dort anmeldest, ist kein Termin frei. Das Spiel haben wir jetzt seit über einem halben Jahr.
Also theoretisch sollte sie so laufen: Um einen Termin zu bekommen, musst du dich bei der Landesregierung digital anmelden. Das kannst du für den jeweiligen Tag ab Null Uhr. Aber auch wenn du dich um Null Uhr oder kurz darauf dort anmeldest, ist kein Termin frei. Das Spiel haben wir jetzt seit über einem halben Jahr. Also wieder einmal so ein unterschwelliges Machtspiel: Wir wollen nicht, aber wir müssen. Und daher gestalten wir es so, dass es nicht wirklich funktioniert. Das Gesetz ist so und so, ich darf also nicht Nein sagen, aber Ja sagen tu ich deswegen noch lang nicht.
Da mein afghanischer Schützling heute eigentlich selbständig ist und auch ohne mich gut zurecht kommt, hab ich mir noch etwas gesucht, und bin auf das Projekt "mitgehn" gestoßen. Im Grunde war ja vieles, was ich bei dieser Asylwerber-Patenschaft gemacht habe, auch schon eine Art mitgehn.
Es gibt unterschiedliche Gründe, um so eine Begleitperson dabei haben zu wollen. Schlechte Erfahrungen. Die Angst, etwas nicht zu verstehen. Die Angst, nicht ernst genommen zu werden. Die Angst, gedemütigt zu werden. Die Angst vor all diesen Machtspielchen, von denen ich schon erzählt habe.
Wobei die Hemmschwelle, das in Anspruch zu nehmen, für manche wahrscheinlich auch hoch ist: Wen krieg ich da? Wer soll denn das sein? Wird der oder die meine Probleme verstehen oder schlecht von mir denken? Da muss man manchen vielleicht ganz klar zu verstehen geben:
Wir sind nur eine Begleitung, wir urteilen nicht, wir mischen uns nicht ein, aber wir sitzen auf deiner Seite, damit diese mehr Gewicht hat und nicht einfach übergangen werden kann.
Wir sind nur eine Begleitung, wir urteilen nicht, wir mischen uns nicht ein, aber wir sitzen auf deiner Seite, damit diese mehr Gewicht hat und nicht einfach übergangen werden kann.
Für mich ist es eine spannende Aufgabe. Es ist für mich eine Möglichkeit, mehr vom Leben da draußen mitzubekommen, neue Problematiken kennen zu lernen. Und ich weiß nicht, ob ich das nächste Mal zum Magistrat fahr, zum AMS, oder ins Wagner-Jauregg-Spital.
Einmal habe ich eine Dame zur Psychiaterin begleitet, die hat dort eine vorgeschriebene Untersuchung gehabt, ich glaub vom AMS, vielleicht Thema Arbeitsfähigkeit, ich weiß es nicht, ich hab da nicht nachgefragt. Mein Einsatz hat vor der Tür der Psychiaterin geendet, die mir frisch fröhlich gesagt hat, aber auch zu Recht: Wir haben Corona-Zeit, Sie können nicht mit reinkommen. Ja, da bin ich eine Stunde lang draußen gesessen. Aber für die Klientin war das in Ordnung so, auch meine Präsenz vor der Tür hat ihr anscheinend ein bisschen mehr Rückhalt gegeben. Jedenfalls hat sie dann gebeten, dass ich auch noch zu einem anderen Termin mitkomme. Aber ich selber hab da gemerkt, dass ich mit so einer Situation nicht so gut zurechtkomme, in der nichts tun kann, eine Stunde nur so dasitze. Anscheinend hat mich die Zeit in der Baubranche doch etwas geprägt, habe ich noch immer etwas von diesem Ehrgeiz, mich durchsetzen zu wollen. Was lerne ich daraus: Man hört nie auf, etwas über sich selber zu lernen.